¬ Franziska Pierwoss
"Für mich ist eine Feministin jemand, die sich für die bürgerlichen und sozialen Rechte und Freiheiten aller Menschen einsetzt, unabhängig von ihrem Geschlecht; jede*r, der/die glaubt, dass Frauen die gleichen Wahlmöglichkeiten und Chancen haben sollten wie Männer, wenn es um Bildung und Beschäftigung, ihren Körper und ihren Lebensstil geht."
Kim Kardashian
Viele tun sich schwer damit, Kim Kardashian als Feministin zu verstehen, auch sie selbst, die eigentlich nicht an die Bezeichnung "Feministin" glaubt. Gleichzeitig ist Kim Kardashian zweifellos eine der bekanntesten Frauenfiguren in den sozialen Medien; ihr Instagram-Account hat über 300 Millionen Follower, eine globale Reichweite, die unglaublich einflussreich ist. Und dieser Einfluss geht längst über die Online-Sphäre hinaus: Kim ist wirtschaftlich erfolgreich – sie steht auf der Forbes-Milliardär*innenliste –, sie wurde eingeladen, im Weißen Haus von Trump über die Gefängnisreform zu sprechen, und sie hat zusammen mit ihrer Mutter strategisch eine matriarchalische Clanstruktur aufgebaut, durch die sie die meisten anderen Familienmitglieder subtil, aber bestimmt kontrolliert. Dennoch bleibt sie eine ambivalente, wenn nicht gar kontroverse Frauenfigur. Ähnlich wie Ivanka Trump wird Kims “Marke” des Feminismus regelmäßig als kapitalistischer Pseudo-Feminismus kritisiert, der hauptsächlich darauf abzielt, Produkte für Frauen zu verkaufen – und nicht etwa Ideen. Zusätzlich zu dieser Behauptung führte die Neigung von Kim und ihren Schwestern, sexy Selfies zu teilen –um noch mehr Produkte zu verkaufen– dazu, dass die sich als Feministin identifizierende Schauspielerin Jameela Jamil die Kardashians als "Doppelagentinnen für das Patriarchat" bezeichnete.
Vor dem Hintergrund dieser scheinbar unüberbrückbaren Gegensätze spürt Franziska Pierwoss in ihrer neuen Arbeit Studying in the Sun der Ambivalenz von Kim Kardashians facettenreicher Persönlichkeit nach: Der Welt gegenüber präsentiert sich Kim selbstbewusst als Sexsymbol, Geschäftsfrau und traditionelle Mutterfigur zugleich. Parallel strebt Kim sogar eine Karriere als Juristin an, die (wie manche meinen) zu einem künftigen politischen Engagement führen könnte. Ob diese Ambitionen erfolgreich sind oder nicht, Kim und ihre Familie, die berühmten Kardashians, repräsentieren das längst überholte, aber immer noch vorherrschende US-amerikanische (kapitalistische) Versprechen von wirtschaftlichem und damit sozialem Erfolg: Wenn man hart genug arbeitet, kann man es "schaffen". Auf Instagram lassen Kim und ihre Schwestern das "harte Arbeiten" allerdings unglaublich entspannt und spaßig erscheinen. Dieses Versprechen macht Kim zu einem Vorbild für Millionen junger Frauen, nicht nur in den Vereinigten Staaten, während sie gleichzeitig eine der meistbeäugten Prominenten bleibt.
Studying in the Sun
Teppich, Tassen, 2022
Franziska Pierwoss lebt und arbeitet in Berlin als Künstlerin in den Bereichen Performance und Installation. In ihrer Arbeit inszeniert sie ortsspezifische Installationen und provoziert unerwartete Begegnungen, in denen radikale Formen des Dialogs zwischen Akteuren mit unterschiedlichen Standpunkten und Hintergründen entstehen. Mit dem Fokus auf Dauer-Performance und kollaborative Praktiken entwickelt Franziska Pierwoss Situationen des Engagements, in denen die persönlichen und politischen Grenzen der Beteiligten sowie der Institutionen in Frage gestellt werden.
Sie studierte an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig und an der Libanesischen Universität Beirut. Ihre Arbeiten wurden kürzlich im Paco Imperial, Rio de Janeiro, im Jameel Arts Centre, Dubai und in der Halle 14, Leipzig (alle 2022) gezeigt. Pierwoss hat Dinner-Performances im MUAC, Mexiko-Stadt (2017), auf der Sharjah Biennale 13, Beirut (2017), und auf dem Fast Forward Festival, Athen (2019), inszeniert. Franziska ist außerdem ausgebildete Transformationsmanagerin und entwickelt Tools zur Unterstützung ökologisch nachhaltiger Arbeitsmethoden in Kunst und Kultur.